Wirtschaftsverbände reichen Beschwerde gegen die städtische Mindestlohninitiative ein

Gegen die am 23. April 2025 vom Gemeinderat der Stadt Biel veröffentlichte Gültigkeitserklärung zur Volksinitiative «Ein Lohn zum Leben. Für einen Mindestlohn in der Stadt Biel» wurde beim zuständigen Regierungsstatthalteramt Beschwerde eingereicht. Die Initiative sieht die Einführung eines städtischen Brutto-Mindestlohns von CHF 23.80 pro Stunde für Arbeitnehmende in Biel vor.

Der Handels- und Industrieverein des Kantons Bern (HIV), Sektion Biel-Seeland / Berner Jura, der Gewerbeverband Biel / Bieler KMU sowie der Verband der Arbeitgeber der Region Bern (VAB) machen geltend, dass die Initiative gegen übergeordnetes Recht verstösst und daher als ungültig zu erklären sei. 

Im Zentrum der rechtlichen Argumentation steht die fehlende Kompetenz der Gemeinden im Bereich der Sozialpolitik. Der Kanton Bern hat im Sozialhilfegesetz (SHG) eine abschliessende Regelung geschaffen. Die Gemeinden sind darin lediglich zur Umsetzung der kantonalen Vorgaben befugt, jedoch nicht zur Einführung weitergehender Massnahmen wie eines kommunalen Mindestlohns. Zudem wird ein Eingriff in die Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden geltend gemacht, der sowohl kantonalem als auch bundesrechtlichem Schutz unterliegt.

Vergleichbare Mindestlohninitiativen in Zürich und Winterthur wurden gerichtlich angefochten. Das Verwaltungsgericht Zürich hielt in zwei Urteilen vom 17. September 2024 fest, dass die Gemeinden nicht befugt sind, hoheitlich in privatrechtliche Arbeitsverhältnisse einzugreifen. In beiden Fällen ist derzeit ein Verfahren vor dem Bundesgericht hängig.

Mindestlöhne haben negative Beschäftigungseffekte, schaden der Wettbewerbsfähigkeit und hinterlassen einen Flickenteppich. Kommunale Mindestlöhne gefährden die nationalen Branchenlösungen. Fabian Engel, Präsident der HIV-Sektion Biel-Seeland / Berner Jura sagt: „Mindestlöhne sind kein geeignetes Instrument, um sozialpolitische Ziele zu erreichen. Das System der Sozialpartnerschaft hat sich bewährt. Die Schweiz verfügt über eine tiefe Arbeitslosigkeit und ein vergleichsweise hohes Lohnniveau. Die Initiative schadet gerade jenen, denen sie helfen will: Berufseinsteigern, Wiedereinsteigern und Niedrigqualifizierten.“

Die Beschwerde der Wirtschaftsverbände verlangt die Aufhebung der Gültigkeitserklärung der Bieler Mindestlohninitiative. Das Verfahren ist nun beim Regierungsstatthalteramt hängig.