Lange Zeit war der Fachkräftemangel die grösste Sorge der kleineren und mittleren Unternehmen. Nun zeigt eine neue Erhebung der regionalen Wirtschaftsverbände, dass sich das ändert: Cyberangriffe werden zum grossen Problem.
Der Personalmangel ist in der regionalen Wirtschaft nach wie vor ein Problem. «Vor allem das Baugewerbe leidet stark unter fehlenden Fachkräften», sagt Miriam Stebler, Präsidentin der Bieler KMU. Dabei fehle es nicht unbedingt an Bewerbungen, sondern an den Qualifikationen.
Insgesamt hat sich der Fachkräftemangel aber etwas entschärft, wie eine Umfrage der regionalen Wirtschaftsverbände zeigt. Im Vorjahr berichteten noch mehr als die Hälfte der 225 befragten Unternehmen, dass sie Personal suchen, und davon 60 Prozent, dass sie dabei Schwierigkeiten haben. In diesem Jahr sind es noch rund 37 Prozent der befragten Unternehmen, die auf Personalsuche sind, und davon 43 Prozent, die Einstellungsprobleme vermelden.
Der Hauptgrund für die Entschärfung des Fachkräfteproblems ist jedoch nicht, dass
sich das Angebot an verfügbaren Fachleuten etwa erweitert hätte, sondern die weniger
vollen Auftragsbücher. Wie Gilbert Hürsch von der Wirtschaftskammer Biel-Seeland ausführt, Wirtschaftswachstum in der Region erneut abgeschwächt.
Im letzten Jahr hat nur noch jedes dritte KMU mehr Umsatz erwirtschaftet als im Vorjahr. 2022 waren es noch fast die Hälfte der Unternehmen und 2021 sogar drei Viertel der Unternehmen, die zulegen konnten. Bei jedem vierten Unternehmen ist der
Umsatz im letzten Jahr sogar geschrumpft. Der Trend setzte sich auch im ersten Halbjahr 2024 fort.
Gesuche für Kurzarbeit haben zugenommen
Was die Rentabilität anbelangt, also wenn man die eingesetzten Mittel ins Verhältnis zum erzielten Erfolg setzt, sei das Bild ähnlich. «Und wenn die Rendite nicht hoch genug ist, werden weniger Investitionen getätigt, was wiederum dazu führt, dass die Wirtschaft nicht gross wächst», erklärt derweil Miriam Stebler. Im Ausblick zeigen sich die regionalen Unternehmerinnen und Unternehmer insgesamt weder optimistisch noch pessimistisch.
Die Unternehmen sind dabei unterschiedlich stark von der Wirtschaftsflaute betroffen.
Die Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaftsverbände weisen darauf hin, dass die Zahl der Gesuche für Kurzarbeit zuletzt zugenommen hat. «Das betrifft insbesondere die Uhrenindustrie und Zulieferer der Automobilindustrie», präzisiert Gilbert Hürsch. Diese Branchen sind neben der weltweiten konjunkturellen Schwäche teilweise auch
von einem strukturellen Wandel betroffen.
Cyberversicherungen hoch im Kurs
Dass die Wirtschaft in der Region schwächelt, kommt wenig überraschend. Die rezessiven Tendenzen sind in ganz Europa spürbar und dürften sich noch etwas in die Länge ziehen. Was die Wirtschaftsverbände bei der Auswertung der Antworten aber erschreckt hat, ist die Zahl der Cyberangriffe in der Region. Laut der Umfrage hat fast jedes vierte Unternehmen bereits eine oder gar mehrere Attacken auf die eigene Unternehmenssoftware abwehren müssen.
«Das ist wirklich ein sehr grosses Problem», sagt dazu Gilbert Hürsch. Ein Drittel der regionalen Unternehmen habe sich bereits mit einer Cyberversicherung abgesichert. Das zeige die Ängste die bei diesem Thema vorlägen. Rund 85 Prozent der Unternehmen gaben an, dass Cybersecurity ein sehr wichtiges oder eher wichtiges Thema ist.
Ein Problem ist die fehlende Ausbildung des Personals, dass es beispielsweise nicht
auf problematische Links klicken soll. Grundsätzlich sieht sich ein Grossteil der Unternehmen gegen solche Cyberattacken gewappnet. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen gab nämlich an, gut vorbereitet zu sein, 16 Unternehmen sogar sehr gut und rund 30 Prozent ausreichend. Zu den wichtigsten Massnahmen gegen Cyberattacken gehören demnach Antivirus-Softwares, Firewalls und Zwei-Faktor-Authentifizierungen.
Für kleinere Firmen ist der Umgang mit KI schwierig
Die Cybersecurity war dieses Jahr ein Spezialthema in der jährlichen Umfrage, die seit 2020 in der Region durchgeführt wird. Ein weiteres Spezialthema war die Künstliche Intelligenz. Trotz der grossen Präsenz des Themas in den Medien zeigt die Umfrage, dass das Thema in der Region noch wenig Beachtung findet Nur jedes fünfte Unternehmen gab an, in irgendeiner Form Künstliche Intelligenz in das Unternehmen
integriert zu haben.
«Und meistens wird Künstliche Intelligenz in der Marketingautomatisierung oder Datenanalyse und im Kundenservice angewendet, nicht aber in den Kernprozessen», sagt Gilbert Hürsch. Das Thema habe noch nicht die notwendige Relevanz erreicht. Aus Wettbewerbssicht sei das problematisch.
Gerade für die kleineren und mittleren Unternehmen ist es offenbar schwierig oder teuer, sich in diesem Thema das nötige technische Verständnis anzueignen. Viele Unternehmen gaben auch an, dass das Thema sehr komplex sei. Eine Hürde stellt gemäss der Umfrage auch der Datenschutz dar. «Viele KI-Anwendungen wie etwa ChatGPT werden in Amerika betreut und dann landen die Daten schnell im Ausland. Das ist offenbar ein grosses Hindernis», erklärt Hürsch.
Abwanderung verhindern
Die Sorgen in der regionalen Wirtschaft haben sich also etwas verschoben. Während der Fachkräftemangel sich etwas entschärft hat, Lieferengpässe weitestgehend verschwunden sind und sich die Energiepreise nicht mehr ganz so stark negativ auswirken, gehören Cyberattacken und etwa auch Behördenbürokratie zu einem grossen Ärgernis der Unternehmen. Das zeigt auch der Berner KMU-Barometer 2024, der sich mit den regionalen Sorgen deckt, wie Jasmin Waldvogel, Geschäftsführerin des Handels- und Industrievereins (HIV), Sektion Biel-Seeland / Berner Jura sagt.
Jasmin Waldvogel weist zudem darauf hin, dass der Anteil der Unternehmen, die sich einen Wegzug aus der Region überlegen, relativ gross ist. Gemäss Umfrage überlegen sich mehr als sechs Prozent einen Standortwechsel und drei Prozent sind unentschlossen. Der meistgenannte Hauptgrund dafür sind Steuervorteile in anderen Kantonen. «Man darf nicht vergessen, dass die Gewinnsteuersätze im Kanton Bern mit über 20 Prozent die höchsten im interkantonalen Vergleich sind. Wir müssen an solchen Standortfaktoren arbeiten, damit wir keine Unternehmen verlieren und neue Unternehmen anziehen können».
Beitrag: Bieler Tagblatt, Manuela Habegger, 11.12.2024